In Luca Kiesers Langgedicht erscheint auf den ersten Blick alles recht beschaulich: In sieben Monologen erinnert das lyrische Ich Szenen einer frühen Kindheit, beschreibt das dingliche Inventar, das Verhaltensrepertoire und die erwachende Selbstwahrnehmung in einem ländlichen Umfeld. Da wird am See gespielt, auf Bäume geklettert, mit Wachsmalkreiden gezeichnet und spielerisch die Zunge herausgestreckt. Doch in Wahrheit, das spürt man beim Lesen rasch, geht es hier um etwas anderes, um etwas, das mit eben dieser Zunge zu tun hat. Es geht um die elementare, körperlich konkrete Erfahrung, zur Sprache zu kommen, mit dem Mund Wörter zu formen, sich auszudrücken und von sich zu erzählen. Es geht um die Selbstbehauptung im Ansprechen von Menschen und Dingen, um die Reibung am Gegenüber und letztlich um die Definition der erfahrbaren Welt mit den Mitteln der Sprache.
Im Rahmen der Reihe keiper lyrik, die unterschiedliche Arbeitsrichtungen zeitgenössischer deutschsprachiger Lyrik mit ihren Grenzgängen und hybriden Textformen auslotet und abbildet, nimmt Kiesers Band eine spannende Position ein. Der an ein Publikum gerichtete Monolog, der das Verhalten des Sprechers mit kleinen Regieanweisungen vor Augen führt, lässt zunächst an die Bühne denken, und tatsächlich hat der Autor selbst den Text bereits performativ präsentiert. Doch intensive Klanglichkeit, ein durch kleine Brechungen aufgerauter sprachlicher Duktus, spezifisch gesetzte Versumbrüche und nicht zuletzt auch das reflektierte und thematisierte Sprachbewusstsein weisen nachdrücklich in Richtung des Gedichts - eines Bühnengedichts, wenn man so will.