Als der ein wenig steif, trocken und dennoch irgendwie liebenswürdig wirkende Anwalt Utterson das Testament seines alten Freundes Dr. Jekyll sorgfältig prüft, kommt ihm ein fürchterlicher Verdacht... Was verband seinen Mandanten, den angesehenen, respektablen Arzt mit dem diabolischen Edward Hyde? Welche Bewandtnis hat es mit dem schweren Spazierstock, mit dem der einflussreiche Sir Danvers Carew erschlagen wurde? Kein Zweifel: Diesen Stock hatte der Anwalt vor Jahren seinem Freunde geschenkt!
So beginnt Stevensons Horror-Story von dem merkwürdigen Fall des Dr. Jekyll und seinem teuflischen alter ego Edward Hyde - eine Erzählung, die uns in die düsteren, nächtlichen Straßen des viktorianischen Londons führt, dem Hörer Schauer über den Rücken jagt und mit einer schrecklichen Enthüllung ausklingt.
Robert Louis Stevenson stammt aus einer alten schottischen Ingenieursfamilie. Er war zeitlebens ein Reisender, bis er sich schließlich 1890 auf Samoa niederließ. Nach einigen reiseberichten erschien 1880 sein Romanerstling "Die Schatzinsel", der ihn weltberühmt machte. In vielen nachfolgenden Erzählungen und Essays bewies er seine erzählerische Meisterschaft, die in der Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hide 1886 einen Höhepunkt erreichte.
Mit dieser Parabel über die Doppelnatur alles Seienden schuf er einen Psychothriller im viktorianischen Gewand, einen Klassiker der Weltliteratur. Stevenson hat in seinem Geschöpf Dr. Jekyll und Mr. Hyde nichts Pathologisches gesehen, sondern das Allgemeingültige, Normale. Er schrieb dazu an seinen Freund Will Wow: "Ich schicke Dir einen gotischen Gnomen - er kommt aus der Tiefe eines Bergwerks, wo er den Quell der Tränen bewacht... Sein Name ist Jekyll und Hyde; ich glaube, man könnte ihn ebenso gut Low oder Stevenson nennen." Die Bezeichnung "gotischer Gnom" deutet darauf hin, dass Stevenson in der Doppelnatur seines bekannten Geschöpfs das Böse überwiegen sah.