1 | Konrad Lorenz: Moralanaloges Verhalten geselliger Tiere
Sendung: 16.10.1955, SWF
Bei Tieren in geselligen Verbänden sind Verhaltensweisen etabliert, die reflektorisch Aggression hemmen und ihrer Funktion nach dem moralischen Verhalten analog sind. Tieren kann jedoch kein Grundcharakter zugeschrieben werden, - der Fuchs als raubgierig und verschlagen beispielsweise -, vielmehr geht es um instinkthafte Reaktionsweisen, die innerhalb des Verbands differenziert wirken. Bei Rhesusaffen ist die aggressive Ausgrenzung von Rivalen zugelassen, befindet er sich jedoch in Lebensgefahr, eilt ihm die Gruppe zu Hilfe. Bei Kolkraben ist zu beobachten, dass die Ausbildung einer gefährlichen Bewaffnung, ihres Schnabels, mit einer ebenso starken Hemmung, ihn einzusetzen, einher geht. Die Demutshaltung von Hunden schließlich löst eine starke Tötungshemmung aus und beendet den Kampf der Rivalen unblutig. Wird diese Aggressionshemmung versehentlich durchbrochen, so führt diese Übertretung zu einer Neurose. Auch im Menschen finden sich solche gefühlsmäßigen Reaktionen, die einer Tötung entgegenstehen. Damit wird deutlich, wie hoch der Aufwand ist, solche Gefühle im modernen Krieg zu unterdrücken.
2 | Adolf Portmann: Haben Tiere eine Seele?
Sendung: 28.05.1967, SDR
Tiere haben ein reiches Innenleben, sie fühlen, haben Stimmungen, nehmen wahr und handeln, man muss ihnen eine Seele zusprechen. Jedoch zeigt sich, dass je nach Kultur und historischer Situation diese Frage nach einer Tierseele völlig unterschiedlich beantwortet wird. In unserer religiösen Tradition ist der Begriff der Seele mit unsterblich konnotiert. Hieraus ergeben sich die Schwierigkeiten um eine Auffassung vom Tier, die sich ausschließlich an einem allgemeinen Begriff des Lebendigen orientiert. Die Struktureinheit des Lebendigen erweist sich zwar immer wieder als schlüssig, allerdings bleiben die Regungen der Tiere weitgehend verborgen und erschließen sich nur auf Umwegen. Hier leistet die moderne Verhaltensforschung Erhebliches, weitab vom Spekulativen verfährt sie streng naturwissenschaftlich. In biologischen Experimenten hat Karl von Frisch beispielsweise die Farbwahrnehmung von Bienen erwiesen und von der menschlichen differenziert. Tierisches Erleben wird damit zur Gewissheit. Auch in der Ergründung der Intimität von Tieren zeigt sich, dass das Paarungsverhalten über das Geschlechtliche weit hinaus geht. Die Auslese ist individuell, es gibt Zu- und Abneigung, die eine Beziehung stiften. Die Vermenschlichung darf nur im kritischen Sinne verwendet werden, als Bezugspunkt und Kontrastfolie.