An einem kleinen Stadttheater wird die Souffleuse gekündigt.
Mit dem Furor eines einzigen Satzes umkreist die Novelle den letzten Moment vor der Kündigung:
Frau Gilsbrod, Diva des Hauses und Muse des Dirigenten, gerade im Begriff ihr erstes viergestrichenes C im fortissimo zu singen, hat sich im Text verhakt und wartet auf den Einsatz der Souffleuse. Doch die kann ihr den Text nicht geben, denn sie muss beim Anblick der Gilsbrod schrecklich lachen. Während Gilsbrod ihre Koloratur verzweifelt auf a weitersingt, steigert sich die Souffleuse in die Versatzstücke ihrer Erinnerung hinein. Kindheitsbilder tauchen auf, die Schulzeit und immer wiederkehrend die Stimme der Mutter, die - ebenfalls Souffleuse - noch mitten auf der Bühne in ihrer goldbarocken Muschel saß, wo sie der Brandung des Meeres lauschend, das Theater atmen hörte.
Komisch und abgründig zugleich durchleuchtet der Monolog der Protagonistin in seiner rauschhaften Kadenz das Leben am Theater, gibt eine Ahnung davon, welche Dramen sich auf und hinter der Bühne abspielen, in den geheimen Dachkammern und Hinterzimmern. Eine Parabel über den Untergang des Unsichtbaren, die Sparkasse im Theater und die kleinbürgerlich größenwahnsinnigen Stadttheaterillusionen.
Geradezu furios kommt Sabine Bergks Prosadebut daher: der Monolog einer namenlosen Soufleuse am Stadttheater, die über die Starsopranistin Gilsbrod herzieht, Intimitäten ausplaudert und doch immer nur die Verliererin ist. Sabine Bergk beschreibt die Dramen, die hinter der Bühne ablaufen und hat damit eine ebenso unterhaltsame wie böse Abrechnung mit dem Theaterbetrieb verfasst, den sie selbst als Regisseurin kennt.Andrea Heinze, rbb KulturradioDie Souffleuse, die der hängengebliebenen Frau Gilsbrod während einer Vorstellung nicht länger die vergessenen Worte aus dem Libretto zuflüstern will, wodurch diese in einer Endlosschleife aus befremdlichen Koloraturen gefangen bleibt, lässt dabei in ihren kühnen Visionen den ganzen Betrieb mit seiner elementaren "Angst vor der Stille" zugrunde gehen. Ein einsamer, lautloser Aufschrei - klug und flott geschrieben, amüsant und spannend zu lesen.Zum ArtikelIrene Bazinger, Berliner ZeitungDie deutsche Autorin Sabine Bergk legt mit ihrer furiosen monologischen Gedankenstrom-Geschichte "Gilsbrod", in der die kreischende Primadonna ihr Unwesen treibt, ein unterhaltsames, an Thomas Bernhard geschultes Stück Übertreibungsliteratur vor.Karin Cerny, ProfilFür die atemlose Geschichte, die einem nur kleine Pausen bietet, hat sich Bergk bizarre Wendungen einfallen lassen, die reich an Drastik und Gewaltphantasien sind. Rhythmusund Intensität ihrer Erzählung verleiten dazu, sie laut zu lesen. Am Besten mal im ICE-Großraumwagen ausprobieren.Matthias Reichelt, Zitty"Gilsbrod" ist jedoch keine Satire auf Künstlermacken, die Novelle rührt tiefer. Es geht um gescheiterte Lebensträume,um Beschränktheit und Größenwahn.Uwe Sauerwein, Beilage Berliner Morgenpost "Berliner Bühnen"